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Statistischer Hypothesentest


Ein altbekanntes Problem der empirischen Wissenschaften ist das Induktionsproblem. Es ist logisch unmöglich, von wenigen Beobachtungen eine Schlussfolgerung für alle möglichen oder noch nicht beobachteten Fälle zu ziehen. Vor dieses Problem ist auch die induktive Statistik gestellt, die mit Zufallsstichproben eine Aussage über die Grundgesamtheit gewinnen will. Um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, bedient sich die Statistik eines methodischen Konzepts, das Aussagen über die Realität nur in Form von Hypothesen formuliert und Wahrscheinlichkeiten für das Zutreffen dieser Hypothesen angibt.

Theoretisches Konzept

Ausgangspunkt der statistischen Überprüfung einer Hypothese ist zunächst das Aufstellen der sogenannten Nullhypothese bzw. H0, mit der die Annahme vertreten wird, die Beobachtung sei zufällig und habe keine weitere Bedeutung. Die eigentlich zu stützende Hypothese ist sodann die Alternativhypothese bzw. H1, welche H0 negiert. Beispielsweise wäre beim Münzwurf, bei dem der Verdacht besteht, die Münze sei gezinkt, H0 „Die Münze ist nicht gezinkt“, während H0 „Die Münze ist gezinkt“ lauten würde. Hinter der Nullhypothese steht der statistische Erwartungswert, dass in den meisten Fällen auf lange Sicht sich die Anzahl Kopf und Zahl die Waage halten. Da sich trotz ungezinkter Münze auch Serien für eine Münzseite einstellen können, die umso weniger wahrscheinlich sind, je länger die Serie andauert, entspannt sich um den Erwartungswert eine glockenkurvenartige Wahrscheinlich­keitsverteilung. Diese Art von Verteilung, die für jedes Zufallsexperiment gegeben ist und mathematisch beschrieben werden kann, erlaubt nun das statistische Rechnen. Je weiter die Beobachtung vom Erwartungswert entfernt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch mit der Verteilung um den Erwartungswert erklärt werden kann. Standardmäßig wird unter fünf Prozent Wahrscheinlichkeit von einem anderen Erwartungswert ausgegangen bzw. die korrespondierende Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen. Das Wahrscheinlichkeitsniveau, mit dem die H0 fällt, wird α-Wert genannt, und liefert das Konfidenzinterfall bezogen auf die Beobachtungswerte für das Annehmen der Alternativhypothese. Je weitreichender die Folgen der Alternativhypothese sind, so bei H1 „Das Medikament hat einen heilenden Effekt“, desto geringer wird α angesetzt. Es herrscht also das Vorsichtsprinzip vor, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.

Fehler erster Art: Man sieht einen Geist

Wie eben beschrieben, drückt der α-Wert die Wahrscheinlichkeit aus, dass die Zufallsstichprobe mit der Nullhypothese erklärt werden kann. Daher birgt deren Verwerfung das Risiko eines Irrtums und die Irrtumswahrscheinlichkeit wird eben in Höhe von α angegeben. Wenn auch in der Regel das Risiko auf fünf Prozent begrenzt wird, so ist es dennoch da. Bei einer derartigen Fehlentscheidung begeht man den Fehler ersten Art, der sinnfällig auch α-Fehler genannt wird. In diesem Falle sieht man etwas, was in der Realität gar nicht da ist und lässt sich von seiner Beobachtung zum Akzeptieren einer falschen Hypothese verleiten. Man könnte auch sagen, man sieht einen Geist.

Fehler zweiter Art: Blind gegenüber der Realität

Umgekehrt kann die zu beweisende Alternativhypothese irrtümlicherweise abgelehnt werden, obgleich sie richtig wäre. Bildlich gesprochen, bliebe man dann gegenüber der Realität blind. Angesprochen ist jetzt der Fehler zweiter Art bzw. β-Fehler. Die Fehlerwahrscheinlichkeit β kann errechnet werden, wenn die hinter der Alternativhypothese stehende Wahrscheinlichkeitsverteilung bekannt ist. Bei vorbestimmten α ist der kritische Beobachtungswert zum Ablehnen der Nullhypothese gemäß der zu dieser gehörenden Verteilung gegeben. Nun lautet die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, wenn dieser Wert unterschritten wird, die auf den Erwartungswert von H1 zurückführbar sein könnte. Nimmt man nun H1 nicht an, so ignoriert man mit anderen Worten die Wahrscheinlichkeit, dass Beobachtungswerte im H1-Verwerfungsbereich doch dem Niveau um den Erwartungswert von H1 zuzuordnen sind. Freilich muss die H1-Verteilung bekannt sein, was aber selten der Fall ist. Im Zweifel wird die Beobachtung zugrunde gelegt. Da α ausgehend von H0 bestimmt wird, und β ausgehend von H1, können α und β nicht einfach zu 100 % aufaddiert werden – ein weit verbreiteter Irrtum. Dennoch gilt aufgrund des Vorsichtsprinzips der Zusammenhang, dass desto kleiner α ist, umso größer β ausfallen dürfte.

Für jede Fragestellung ein eigener Hypothesentest

Ausgehend vom Grundprinzip wurden zahlreiche Varianten von Hypothesentests entwickelt. Je nach Verteilungsfunktion, Datenarten, wobei die Unterscheidung zwischen stetigen und diskreten Daten gemeint ist, und nicht zuletzt der aus einem realen Problem entlehnten Fragestellung unterscheidet sich das Vorgehen. So können zwei Stichproben darauf geprüft, werden, ob sie derselben Grundgesamtheit zugehören. Ebenso kann eine gegebene Verteilung darauf geprüft werden, ob sie normalverteilt ist. In diesem Falle kommt es auf die richtige Lesart des Hypothesentests an. Entgegen dem üblichen Fall wäre das Beibehalten der H0 „Die der Stichprobe zugehörige Grundgesamtheit ist normalverteilt“ wünschenswert. Hier wäre man nun großzügig mit dem Beibehalten dieser Behauptung, denn H0 wird bekanntlich erst verworfen, wenn man sich der Alternativhypothese mit unter fünf Prozent Wahrscheinlichkeit irren würde. Bei Medikamententest wäre dieses Vorgehen allerdings fatal, stünde die Prüfung auf unerwünschte Nebenwirkungen mit H0 „Das Medikament ist nebenwirkungsfrei“ an. Hier hilft nur die Durchführung einer alternativen Kontrollstichprobe, die Fälle von Nebenwirkungen beinhaltet, und das Ausrechnen des β, das möglichst gering sein sollte. Sodann wird das Fehlerpotential minimiert, die Nebenwirkungen zu übersehen, da β nun einmal das Risiko des Übergehens von H1 ausdrückt.

Verfasser: Dipl.-BW (FH) Michael Zabawa
Erschienen: April 2020

Weiterführende Literatur

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